Nach drei langen Wochen bin ich endlich durch mit dem Buch^^
Im Großen und Ganzen hat es mir ganz gut gefallen! Es beginnt mit einer Kriegsszene und einem Mann namens Paul Jonas. Es könnte vielleicht im Ersten oder Zweiten Weltkrieg spielen, doch es wird nie eine Zeitangabe erwähnt. Jedenfalls gelangt Paul Jonas über einen Baum, der plötzlich aus dem Nichts bis in den Himmel ragt, zu einer Stadt bzw. einem Schloss über den Wolken. Von Neugier getrieben betritt er es und findet in einem Raum, eingesperrt in einen Käfig, eine wunderschöne Frau mit grünen Flügeln. Er will sie befreien, wird aber vom Hausherrn entdeckt und muss fliehen und plötzlich wacht er im Kriegslager bei seinen Freunden auf. War es nur ein Traum? Doch wo kommt die grüne Feder her, die Paul Jonas in seiner Jackentasche findet?
Die eigentliche Haupthandlung ist in der Zukunft angesiedelt. Die Menschen, zumindest die, die es sich leisten können, verbringen die meiste Zeit in der virtuellen Welt. Diese virtuelle Welt gleicht einem Paralleluniversum, nur bestehend aus Daten, in der man sich bewegen kann, wie im normalen Leben. Es ist sozusagen das "Internet der Zukunft". Und in dieser Zukunft leben Renie und ihr Schüler !Xabbu, einer der letzten Ureinwohner Afrikas. Als Renie's kleiner Bruder während einer Tour im VR (virtuelle Welt) aus unerklärlichen Gründen in ein tiefes Koma fällt, begeben sich die beiden auf eine abenteuerliche und gefährliche Reise um das Geheimnis zu lüften. Wie sie später herausfinden, teilen mehr Kinder dasselbe Schicksal wie Renie's Bruder. Bei ihrer Suche erscheint ihnen in einer Vision eine prächtige, goldene Stadt. Mit Hilfe von Freunden und Spezialisten begeben sich die beiden ins VR um sie Stadt zu finden. Doch auch Menschen auf anderen Kontinenten haben diese Vision und versuchen ebenfalls das Rätsel dieser Stadt zu lösen.
Statt dem Leser aber mal Durchblick zu verschaffen, tun sich mit der Zeit immer mehr Fragen auf. Welche Rolle spielt Paul Jonas, der immer wieder in anderen Welten auftaucht und sein Gedächtnis verloren hat? Wer steckt hinter der goldenen Stadt? Und was hat das alles mit Renie's Bruder zu tun?
Als wär das noch nicht genug, gibt es noch jede Menge Nebenhandlungen, die scheinbar überhaupt nichts miteinander zu tun haben und erst nach und nach Sinn ergeben. Neben der Geschichte von Paul Jonas, wäre unter anderem noch ein Junge namens Orlando, der mit seinem Freund Fredericks ebenfalls die goldene Stadt sucht oder die kleine Christabel, die immer wieder für einen mysteriösen alten Mann Aufgaben erfüllen muss. Dann kommen ab und zu Szenen vor, in denen ägyptische Götter vorkommen, die gefährliche Pläne schmieden oder ein Auftragsmörder....
Zwischendurch konnte ich gar nicht mehr richtig unterscheiden, was sich jetzt im VR oder in der realen Welt abspielt. Außerdem dauert es ewigst lange (ungefähr auf Seite 900 von 980 Seiten), bis man endlich mal so vage erfährt, wer hinter der goldenen Stadt und Otherland stecken könnte. Immerhin fügen sich manche Handlungsstränge zusammen, doch einige lässt der Autor anscheinend bewusst ganz offen. Man muss auf alle Fälle alle vier Bücher lesen, denn diese ergeben zusammen erst wirklich die komplette Geschichte!
Alle Charaktere, auch Nebencharaktere, sind ziemlich gut ausgearbeitet, auch wenn man über manche nicht so viel erfährt oder mich der Umgangston zwischen Renie und !Xabbu genervt hat, weil es immer so steif und ziemlich unrealistisch rüber kam. Tad Williams' Sicht der (nahen) Zukunft finde ich genial, es ist in sich stimmig und man kann es wirklich nachvollziehen, dass es vielleicht mal so sein könnte... Außerdem entdeckt man immer parallelen zur Gegenwart, vor allem in den Nachrichtenmeldungen, die sich zu Beginn jedes Kapitels befinden. Zuerst dachte ich, dass diese irgendwie zur Geschichte gehören müssen, dabei möchte Williams damit nur einen Einblick verschaffen, was in der Zukunft so auf der Welt geschieht. Sprachlich hat es mir auch sehr gut gefallen, weil alles verständlich und bildhaft dargestellt wird.
Es fehlte allerdings Spannung! Die Kapitel sind zwar immer so geheimnisvoll gestaltet, dass man mehr oder weniger weiterlesen muss, aber wenn man nach 900 Seiten noch immer keinen wirklichen Schimmer hat, um was es geht, ist es schon enttäuschend. Deshalb gibts von mit für
Stadt der goldenen Schatten:
Ich hoffe, dass im zweiten Band mehr Aufklärung über die ganzen Dinge erfolgt. Vor allem will ich endlich wissen, wer dieser Paul Jonas wirklich ist und wo er herkam und was es mit Christabel und dem alten Mann auf sich hat!